Anfang der 1930er-Jahre - Anger im Winter

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Dieses Winter-Anger-Bild vom Anfang der 30er-Jahre ist aus der späteren Poliklinik aufgenommen und zeigt rechts einen der sechs 1930 vom Waggonbau Ammendorf bei Halle gelieferten Triebwagen auf der Linie 1. Interessant ist die Gleisanlage, denn noch bis in die 60er-Jahre fuhren die Straßenbahnen beidseitig um die Kaufmannskirche herum. Der Grund war nicht die Kirche selbst, sondern das dahinter quer zur Johannesstraße stehende Pfarrhaus, das nur sehr schmale Straßen zuließ, weshalb beim zweigleisigen Ausbau des Streckennetzes diese Lösung gewählt wurde.

Der in der Bildmitte erkennbare Abstand der Gleise stammt noch aus der Zeit des eingleisigen Betriebes. Damals lag die Ausweiche dieser Strecke in Höhe der Hauptpost und wurde im Linksverkehr befahren, so dass zwischen den Gleisen ausgestiegen wurde. Offenbar fand man diese Lösung sicherer für das Publikum. Das im Bild sichtbare Verbindungsgleis, Gleiswechsel genannt, ermöglichte das Wenden kurz geführter Einsatzwagen sowie das Wenden bei Havarien, die es auch damals schon gab. Dies setzte aber natürlich das Vorhandensein von Triebwagen mit beidseitigen Fahrerständen voraus.

Anfang der 190er-Jahre - Bahnhof Erfurt Nord

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In unseren Unterlagen findet sich auch dieses Bild vom Bahnhof Erfurt Nord. Es dürfte um 1930 entstanden sein, denn die Kleinbahn nach Nottleben ging 1926 in Betrieb. Als Nicht-Reichsbahn fuhr sie den Bahnhof Nord nicht unmittelbar an, sondern endete an einem Bahnsteig ca. 100m nördlich. Deswegen ist der Kleinbahnhof auf dem Wegweiser extra kenntlich gemacht worden. Links sieht man den Bahnübergang mit Blickrichtung Ilversgehofener Platz, unmittelbar nach dem Bahnübergang befand sich die Endstelle der Linie 1.

Schon zu dieser Zeit gab es Überlegungen die Straßenbahn weiter nach Norden zu führen. Freilich ging es nicht um ein Wohngebiet oder den Zoopark, sondern vielmehr um den am Roten Berg gelegenen Zivilflugplatz Erfurt, der an der Kreuzung Stotternheimer-/ Bunsenstraße sogar über ein stattliches Flughafengebäude verfügte. Er stand in Konkurrenz zum Verkehrsflughafen Weimar, damals die Thüringische Landeshauptstadt, wenngleich der Verkehrsknoten in Thüringen das preußische Erfurt war. Und die Reichweite der damaligen Verkehrsflugzeuge machte auf längeren Strecken Zwischenlandungen erforderlich. Klar, dass ein Flughafen mit unmittelbarer Anbindung an den öffentlichen Verkehr attraktiver sein sollte...

Allerdings war bereits zu dieser Zeit die Neuanlage von niveaugleichen Kreuzungen Straßenbahn - öffentliche Eisenbahn nicht mehr statthaft und der Bau einer Unterführung scheiterte wie so oft an den Finanzen. Finanzielle Gründe waren es schließlich auch, die Ende der 80er Jahre bei der Verlängerung nach Norden zu der bekannten Brückenlösung führten, die dann ja allerdings erst nach der Wende in Betrieb ging.

1930 - Polizist auf dem Anger

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Wenngleich Lichtsignalanlagen für den Straßenverkehr schon eine ganze Weile verwendet werden, waren sie früher eher eine Seltenheit. Dafür sind den Verkehr regelnde Polizisten heute nahezu unbekannt. Es gibt im eigentlichen Sinne keine Verkehrspolizei mehr, zu deren Aufgabengebiet bis zur Wende neben der Überwachung der Einhaltung der Verkehrsregeln (und Ahndung bei Übertretung, wer kennt noch die Stempelkarte in der DDR?) auch die Regelung des Verkehrsablaufes bei bedeutenden Kreuzungen gehörte. Es gab sogar Kreuzungen, bei denen mit Hand regelnde Polizisten eine wesentlich höhere Durchlassfähigkeit erreichten, als es Signalanlagen ermöglicht hätten.

Und wenn man an den bekannten, jetzt im Betriebshof Magdeburger Allee aufbewahrten Verkehrsturm vom Anger denkt, fällt einem wieder ein, dass ja die meisten Ampeln in den 50er und 60er Jahren handgesteuert waren - von Verkehrspolizisten.

Unser Bild, das am Anger Ecke Bahnhofstraße 1930 entstand, zeigt, dass schon in jenen Jahren das Verkehrsaufkommen eine polizeiliche Regelung erforderte. Hoffentlich hat der Polizist unseren Triebwagen 75 auch bevorrechtigt.... Interessant ist auch das Podest, auf dem er steht, es ermöglicht eine bessere Sicht auf den Wachtmeister und strukturiert gleichzeitig den Verkehrsraum.

1930 - Wagenhalle Magdeburger Allee

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Die Zufahrt zur Wagenhalle in der Magdeburger Allee ging durch das Verwaltungsgebäude. Werfen wir doch einen Blick im Jahre 1930 durch das offen stehende Tor. Wir sehen den Triebwagen 66, den 1926 die Waggonfabrik Weimar mit 9 weiteren geliefert hatte, noch mit dem bis 1936 verwendeten Rollenstromabnehmer ausgerüstet. Die Umstellung aller Triebwagen auf Bügelstromabnehmer erfolgte übrigens wegen der Störung des Rundfunkempfanges, gefordert und finanziell unterstützt vom Reichspostministerium, in Bezug auf die Fahrleitungsanlage allerdings ein ziemlich umfangreiches Vorhaben.

Daneben steht der Beiwagen 120, ein aus den Triebwagen der Anfangsjahre des elektrischen Betriebes 1925 umgebauter Wagen. Im Grunde genommen wurde nur die elektrische Antriebsausrüstung entfernt, die offenen Plattformen blieben bei diesen kleinen Wagen bis zu deren Ausmusterung bis 1937 erhalten. Die Wagen behielten damit auch ihre mechanische Bremse und konnten nicht vom Triebwagen aus gebremst werden, was in den 30er Jahren schon arg anachronistisch war in Anbetracht des anwachsenden Straßenverkehrs. Man erkennt dies an den fehlenden elektrischen Kabeln an der Plattform, statt dessen sieht man bei genauer Betrachtung die Bremskurbel.  

Und noch eine Bemerkung zur Tordurchfahrt: Mit den wachsenden Abmaßen der Fahrzeuge wurde der Sicherheitsraum neben den Wagen immer geringer bis er gar nicht mehr da war. Dies wurde ab den 50er Jahren durch die damalige Staatliche Bahnaufsicht immer mal wieder bemängelt. Und so wurde Anfang der 80er Jahre die Durchfahrt geschlossen und als Lager und Garage weiter genutzt und in der nun nicht mehr als Abstellhalle genutzten Wagenhalle zog nach großzügigem Umbau die Lehrwerkstatt der damaligen EVB ein.

Mitte der 30er-Jahre - Triebwagen 108

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Heute einmal mit einem Beiwagen: Bei den historischen Aufnahmen dominieren ja immer die Triebwagen, insbesondere weil die Beiwagen in Erfurt in alten Zeiten bedarfsabhängig und nicht ganztägig eingesetzt wurden und so ihre tägliche Einsatzzeit hinter der der Triebwagen zurückblieb. Dass die Aufnahmen meist von vorn gemacht wurden, ist eine weitere Erklärung dafür und wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass die Steigungsstrecken, abhängig von der Bremstechnik, den Einsatz der Beiwagen einschränkten oder gar ausschlossen. Zu letzterem muss man wissen, dass der Erwärmung der Fahrmotoren Grenzen gesetzt waren und die Erwärmung ist natürlich abhängig von der abgerufenen Leistung.

Mit der Lieferung leistungsstärkerer Triebwagen vor und nach dem Ersten Weltkrieg konnte langsam auf den Einsatz der einmotorigen Triebwagen der ersten Generation verzichtet werden. Sie waren vom Zustand her aber durchaus noch verwendungsfähig und unter der oben beschriebenen Prämisse eines fallweisen Einsatzes durchaus brauchbar - als Beiwagen. Da sie Fahrgestelle besaßen, waren ihre Laufeigenschaften besser als die der adaptierten ehemaligen Pferdebahnwagen und so wurden 1925 12 dieser Triebwagen in einfachster Art in Beiwagen umgebaut, in dem man die elektrische Ausrüstung entfernte. Die Handbremse bediente der Schaffner, man kann sie als Kurbel am Perron gut erkennen. Da zustandsbedingt ab 1930 die ersten Wagen dieser Umbauserie ausgemustert werden mussten, wurden 1935 aus hinter stellten Reservewagen noch einmal 4 Wagen hergerichtet, zu denen gehört der auf unserem Bild zu sehende Wagen 108. Alle 4 Wagen wurden 1941 in 241-244 umgenummert. Während 3 Wagen 1948 zu Schuttloren degradiert wurden, diente unser Wagen nach einer Aufarbeitung ab 1946 zunächst als Leichenwagen. Nachdem ab 1948 wieder Kraftfahrzeuge für diesen Zweck verfügbar waren, kam der Wagen als Reklamewagen zum Einsatz und ab 1963 dann als Schweißgerätewagen. 1965 war dann das Ende des über 70 Jahre alten Wagens gekommen.

1930er-Jahre - Unfall mit der Kleinbahn Erfurt-Nottleben

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Hoffentlich glimpflich ausgegangen ist dieser Unfall eines Omnibusses unseres Unternehmens an einem Bahnübergang. Dieses in unserem Archiv befindliche Bild gibt eine ganze Menge Rätsel auf.

Die Rückseite ist beschriftet mit "Unfall mit der Kleinbahn Erfurt-Nottleben in den 30er Jahren". Leider ist nicht erkennbar, wann diese Angabe auf das Bild gelangte, möglicherweise erst lange Jahre danach und der Verfasser hatte keine Kenntnis von dem Unfall. Und so schaffte es dieses Bild mit falschem Text sogar in das Jubiläumsbuch der EVAG von 1994. Denn die beteiligte Lokomotive ist eine von der Deutschen Reichsbahngesellschaft beschaffte bayrische Lokalbahnlokomotive vom Typ GtL4/4 mit der deutlich lesbaren Nummer 98 914. Solche Lokomotiven liefen meistens nur auf Stichstrecken in Bayern und kamen reichweitenbedingt allenfalls kurz über die Grenze benachbarter Reichsbahndirektionen, wie übrigens Erfurt eine war und sich über das ganze heutige Thüringen erstreckte (zur Erinnerung: Erfurt gehörte vor dem 2.Weltkrieg zur preußischen Provinz Sachsen). Das Bild könnte also auch in Südthüringen entstanden sein, wo es mehrere "grenzüberschreitende Strecken" gab oder eben in Franken oder Bayern. Die 1928 gebaute Lok ist nach einem Fahrwerksumbau 1936 ab 1939 unter der neuen Nummer 98 1111 gelaufen, so dass das Bild also in dem Zeitraum 1928 bis 1939 entstanden sein muss. Und es ist definitiv keine solche Lokomotive auf der Nottlebener Kleinbahn gelaufen, auch nicht leihweise.
 
Steht die Frage nach dem beteiligten Omnibus. Leider verfügen wir über keine Kennzeichenliste unserer Busse aus damaliger Zeit und obwohl wir mehrere Bilder dieses Fahrzeuges haben, ist auf keinem die Wagennummer erkennbar. Klar ist, dass das Kennzeichen IM 15499 in Erfurt vergeben wurde, denn die Kennzeichengruppe IM 14701 bis 19700 vergab das Polizeipräsidium Erfurt. Ab Anfang der 30er Jahre war die Nummerngruppe erschöpft und man vergab 6-stellige Zifferngruppen, spätestens ab 1935. Da erloschene Kennzeichen nicht wieder erteilt wurden, ist das Baujahr des Busses also älter. Das ist deswegen interessant, weil es erstens widersprüchliche Angaben in unseren Unterlagen zu den Herstellern der Omnibusse gibt, die zudem noch dürftig sind und nicht mal eine Typbezeichnung haben. Zweitens besitzen wir nur zu einzelnen Bussen Bilder, die eine eindeutige Typzuordnung ermöglichen. Und dann wurden viele Omnibusse gar nicht von den Fahrgestellherstellern, sondern von Karosserie- und Waggonbaufirmen aufgebaut, die auf Kundenwunsch im Rahmen der damaligen technischen Möglichkeiten sehr viel Individualität ermöglichten und nur für ausgesprochene Kenner diese Metiers lässt sich heute die Handschrift der Designer von damals erkennen. Das wird nicht leichter, wenn man bedenkt, dass durchaus abgekupfert wurde und die Fahrzeugaufbauten immer wieder modernisiert und den sich auch ändernden Einsatzzwecken entsprechend angepasst wurden...

Bleibt also nur ein Ausschlussverfahren: Man guckt also welcher Bus es nicht sein kann. Es fallen erstens alle Busse weg, die keine Daimler Benz sind. Es fallen alle Daimler Benz weg, die nach 1935 beschafft wurden - siehe Kennzeichen. Dazu passt, dass die kantige Aufbauform ab Mitte der 30er Jahre verlassen wurde, ebenso begann man ab Mitte der 30er Jahre die Fensterscheiben in Gummis einzufassen, was der Bus nicht hat, wie auf dem Bild in unserem SWE-Journal zum 90 jährigen Busjubiläum auf Seite 9 gut zu erkennen ist - das ist nämlich der gleiche Wagen, gut erkennbar auch die Form der Dachrandverglasung und das Schiebedach, damals Allwetterverdeck genannt. Drittens ist der Mercedes-Stern auf dem Kühler interessant. Der wurde damals auf Kundenwunsch montiert und weist ein wichtiges Indiz auf: Mit Dieselmotoren ausgerüstete Busse hatten im unteren Drittel des Sterns das Wort Diesel stehen, was den Schluss zulässt, dass unser gesuchter Omnibus einen Ottomotor hat, was auch mit dem relativ schmalen Vorbau zusammen passt.

Und nun? Von den in Frage kommenden Daimler Benz sind bildlich die Wagen 22 von 1927 sowie 37 und 38 von 1935 nicht belegt. Da die letzteren beiden bereits einen Dieselmotor besaßen bleibt also nur die Nummer 22 übrig, auf die alle erwähnten Merkmale passen. Der trotz des Ottomotors 1937 noch im Einsatz stehende Wagen 22 weist in einer Übersicht einen Kilometerstand von knapp 126.000 km aus, statistisch also 12.600 km pro Jahr, für einen Reisewagen jener Zeit typisch. Normale Linienbusse wiesen die doppelte bis dreifache Laufleistung auf (nur zum Vergleich: Ein Solobus läuft heute zwischen 90.000 bis 100.000 km im Jahr).

Bleibt noch nachzutragen, dass die Wagennummern nach den Beschaffungsjahren sortiert waren und Bus 22 steht trotz des Baujahres 1927 zwischen den 1928 und 1929 gelieferten Fahrzeugen. Es ist also anzunehmen, dass das Fahrgestell zwar 1927 gefertigt wurde, der anschließende Aufbau in einer Karosserie- oder Waggonfabrik und die Ablieferung zog sich aber bis 1928 hin.