Anfang der 80er-Jahre - Schwierigkeiten des Gleisbaus

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Die in den Tiefbaukombinaten in Dresden, Leipzig und Berlin stationierten Torlader, die aufgrund ihrer Arbeitshöhe uneingeschränkt unter den Fahrleitungen arbeiten konnten, waren aber Anfang der 80er Jahre verschlissen und für einen Ersatz fehlten die Devisen. In der Folge mussten die Gleisjoche mit einem normalen Kran verlegt werden, wozu auch die Fahrleitungen demontiert oder mindestens zur Seite geschoben werden mussten. Das eigentliche Problem war aber, dass der Torlader mehrere Befestigungspunkte für die Großverbundplatten hatte, bei der Kranverlegung aber nur noch 4 Stahlseile zum Anschlagen zur Verfügung standen.

Die EVB hatte übrigens extra einen bei der NVA ausgesonderten sowjetischen Kraz-Gitterkran erhalten, der eiligst von grün auf orange umgespritzt wurde, um nach der folgenden Generalüberholung wieder armeegrün zu sein... Dieser Kran jedenfalls verhinderte den Einsatz eines Verlegerahmens zum Mehrfachanschlagen, weil er nur das Gewicht der Platte heben konnte. Und so war praktisch eine exakte höhenmäßige Nivellierung der Gleise nicht möglich, die Großverbundplatten hingen quasi in der Mitte und an den Rändern durch.

Die Großverbundplatte hatte übrigens einen zweiten Systemfehler: Die Schienen waren samt Spurhaltern in Beton gegossen worden. Damit gab es aber keine schwingungstechnische Entkoppelung und die Betonplatten wirkten wie ein Resonanzkörper. Das wollte man mit einer weichen Lagerung ausgleichen, was nicht wirklich funktionierte und in der Praxis noch verschärft wurde. Die Vormontage von Gleisjochen verringert die Bauzeiten nicht unwesentlich (auch bei der Eisenbahn, dort mit Schwellen), führte aber in den Betrieben dazu, dass der Unterbau, beim Bau in den 70er Jahren teilweise aus der Anfangszeit der Straßenbahnen stammend, nicht mit saniert wurde. Mit der Begründung, die Flächenauflage der Platte würde einen wesentlich geringeren Druck auf den Untergrund ausüben, wurde dies übliche Praxis in den Betrieben bis in die 80er-Jahre hinein. Der Denkfehler war, dass man das Gewicht des Betonkörpers vernachlässigte und dass diese Annahme allenfalls funktioniert, wenn man den Unterbau standfest und tragfähig macht und eine durchweg ebene Auflage erreicht. Diese fehlende flächige Auflage führte im Weiteren dazu, dass insbesondere die Großverbundplatten rissen und brachen, die von schweren Kraftfahrzeugen befahren wurden. Und dabei hatten sich die Entwicklungsingenieure schon Gedanken gemacht, was man mit der Betonplatte machen könnte, wenn die Schienen verschlissen sind...

Übrigens sind die Großverbundplatten in Erfurt erstmals in der Schillerstraße verbaut worden, damals noch mit Sanierung des Unterbaus. Und die haben tatsächlich bis Ende der 90er-Jahre durchgehalten, aber laut waren sie trotzdem.

Anfang der 80er-Jahre - Busse aus Ungarn

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1980 schlängelte sich dieser Zug durch das Elbtal, dessen Farbe sich deutlich von anderen Zügen unterscheidet: Lauter neue Busse aus Ungarn für die DDR-Betriebe sind auf dem Weg nach Heidenau. Selbstverständlich mit der Eisenbahn. Von dort aus erfolgte die Verteilung auf die Nahverkehrs- und Kraftverkehrsbetriebe nach einem vorab aufgestellten Bilanzsystem, ständiger Streitpunkt zwischen dem Verkehrsministerium und dem Außenhandel der DDR. Für letzteren war ein Bus ein Bus, also warum teurere Gelenkbusse kaufen, wenn man für das gleiche Geld mehr Standardbusse bekommt...  Und so wundert es nicht, dass dem einen Gelenkbus auf dem ersten Wagen viele Solobusse gegenüberstehen - im wahrsten Sinne des Wortes. Abgesehen davon wurden zu dieser Zeit schon keine Bedarfszahlen mehr abgedeckt, das Durchschnittsalter der Busflotte in der DDR stieg merklich an.

Das Standardgelb der 200er Ikarus-Busse wurde hierzulande übrigens senftopfgelb genannt, weswegen die Busse oft etwas despektierlich Senftöpfe hießen. Jedenfalls gab man sich in Erfurt große Mühe, bei der nächsten passenden Gelegenheit die Busse umzulackieren. Eigentlich in rot- weiß, aber je nach Farbverfügbarkeit sah das nicht einheitlich aus. Insbesondere das - ohnehin anspruchsvoll zu lackierende - Rot glitt oftmals ins Orangerot ab und das Weiß näherte sich ab und zu dem Hellgrau.

Bliebe noch für den an Technik Interessierten der Hinweis, dass für die Bahnverladung die Luft aus den Luftkissen (natürlich nur der luftgefederten Busse) abgelassen werden musste, um ein Schaukeln während der Fahrt zu verhindern. Das Vorbereiten zum Wiederaufpumpen vor dem Abladen am Nordbahnhof klappte selten wie in der Gebrauchsanweisung. Aber zu jedem Bus gehörte eine Werkzeugkiste, in der einige - heute würde man sagen: give aways - lagen, z.B. Anstecknadeln und Notizbücher mit Ikaruszeichen, und die waren unter Kollegen und Sammlern sehr begehrt. Und so gab es genügend Freiwillige, wenn Ikarusse abzuladen waren, meistens im Dunkeln oder am Wochenende...

Anfang der 80er-Jahre - S-Bahn Berliner Straße

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Dieses Bild zeigt die gerade aus dem Endpunkt Berliner Straße ausfahrende S-Bahn Anfang der 80er Jahre. Der vierteilige Doppelstockzug war ziemlich ambitioniert, die Fahrgastzahlen erfüllten die Erwartungen, die bei Einrichtung des S-Bahn-Verkehrs geweckt wurden, zu keiner Zeit. Die überwiegenden Nutzer der Bahn waren Kollegen von Umformtechnik und Eisenbahner.

Im Gegensatz zu dem gängigen Merkmal einer S-Bahn, dem Taktverkehr, fuhr die Bahn nur zu Berufsverkehrszeiten, lange Jahre mit 8 Zugpaaren pro Werktag montags bis freitags. Da die Strecke zwischen dem Nordbahnhof und dem Hauptbahnhof nur eingleisig war, konnten nicht alle S-Bahnen zum Hauptbahnhof durchfahren und es musste umgestiegen werden. Der hochbelastete Knoten Hauptbahnhof hatte dazu starken Einfluss auf die Pünktlichkeit der bei den Erfurtern etwas despektierlich "Riethschleuder" genannten Bahn.

Hauptknackpunkt war aber, dass es bis zum Ende der DDR nicht gelang, die Bahn in das Erfurter Tarifsystem einzubinden. Während der normale Straßenbahnfahrschein 12 Pfennig kostete -nebenbei bemerkt der niedrigste Tarif der DDR, allerdings ohne Umsteigemöglichkeit - kostet die S-Bahn-Fahrt 20 Pfennig, was der eigentliche Einheitstarif der DDR war. Niedrigere Tarife hatten ihre Ursache in der Festschreibung der Kriegseinheitstarife von 1944, die zunächst auf Befehl der sowjetischen Militäradministration und später der DDR-Regierung nicht verändert werden durften (wie übrigens bei Brot und Milch). Auch Zeitkarten der EVB wurden von der Reichsbahn nicht anerkannt, und damit blieb die S-Bahn ein Fremdkörper im Tarifsystem von Erfurt. Wer im Anschluss an die S-Bahn noch Straßenbahn oder Bus hätte nutzen müssen, brauchte als Stammnutzer 2 Zeitkarten, also quasi musste er den doppelten Preis bezahlen.

1995 wurde der Verkehr dann eingestellt, mit der Reduzierung der Arbeitsplätze im Norden gab es noch weniger Nachfrage nach einer Zugverbindung zwischen Nordbahnhof und der Berliner Straße. Die Strecke wurde dann auch für den Güterverkehr 2003 stillgelegt und zumindest parallel zur NQV inzwischen abgebaut und renaturiert.

1980 - Schmidtstedter Knoten

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Der südliche Teil des Schmidtstedter Knotens sah nach Fertigstellung der Verkehrsanlagen so aus, die Nebenanlagen wirken noch ein wenig nackt. Die erwarteten Verkehrsströme aus Erfurt Südost und die Fernverkehrsstraße 7 mit den entsprechenden Verkehren waren der Anlass für den Bau einer derart dimensionierten Kreuzung in Erfurt. Der links zu sehende Ikarus-Gelenkbus in Überlandausführung war bei dem Fahrgastaufkommen in der Region mehr als erforderlich, auf manchen Relationen fuhren mehrere Busse hintereinander, um dem Andrang gerecht zu werden.

Startpunkt der meisten Überlandbusse war der EVB- Busbahnhof, der zum Aufnahmezeitpunkt um 1980 9 Abfahrts- und 2 Ankunftsbahnsteige hatte und mit Fahrkartenverkauf, Warteraum und Fahrerpausenraum dem Aufkommen gerecht wurde. Eine Toilette gab es für das Publikum auch, um die Ecke in der Schmidtstedter Straße. Als Pachttoilette gab sie Anlass zu mancher Kritik, wie überhaupt das Thema öffentliche Toilette in Erfurt kein einfaches war und ist.

1981 - Gelenkwagen 188 auf Flutgrabenbrücke

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Zu sehen ist der Gelenkwagen 188 im Jahr 1981 auf der Flutgrabenbrücke am Talknoten. Nummer 188 war der drittletzte, neu nach Erfurt gelieferte G4 vom Waggonbau Gotha. Er läuft auf der Linie 11, die zwischen Nordbahnhof und Günterstraße den Takt im Berufsverkehr verdichtete und im aktuellen Jahr nur noch einzelne Fahrten realisierte – wenn sie denn stattfanden, permanenter Fahrer- und Fahrzeugmangel führten dazu, immer erst die Linie 11 “nackig” zu machen…

In den 70er Jahren war man dazu übergegangen, die hellgrauen Dächer der Wagen mit einer schwarzen Bitumenfarbe zu versehen, einerseits weil hellgraue Farbe nicht immer verfügbar war, andererseits weil man nicht nur mit dem Abrieb der Stromabnehmerkohlen kämpfte, sondern die allgegenwärtige Umweltverschmutzung vorzeitiges Nachlackieren erfordert hätte, wofür keine Kapazitäten zur Verfügung standen. Der Zustand der Karosse berichtet von einem harten Alltagsgeschäft…

Angehängt ist einer der 18 Reko-Beiwagen aus dem RAW Schöneweide, die die EVB zwischen 1973 und 1975 erhielt. Diese Fahrzeuge hatten ihren Ursprung in einem gewaltigen Rekonstruktionsprogramm für die Berliner Verkehrsbetriebe, bei dem eine Vielzahl von Vorkriegstypen modernisiert und standardisiert werden sollten. Daraus erklären sich auch einige technische Besonderheiten der Fahrzeuge, die auch nicht geändert wurden als längst keine Altbauteile mehr zur Verwendung gelangten.

Nachdem der Waggonbau Gotha die Produktion eingestellt hatte, aber Bedarf an weiteren Zweiachsern zur Komplettierung vorhandener Fahrzeugparks bestand, wurden noch Fahrzeuge für andere Verkehrsbetriebe gebaut, unter anderem auch für Erfurt. Trotz Anlieferung von Achsen, Achshaltern, Kupplungen, Lampen, Klingeln u.ä. wurden größtenteils neue Bauteile verwendet. Die Entscheidung, diese Fahrzeuge zu beschaffen, muss vor dem Hintergrund gesehen werden, dass die Entwicklung der Tatra-KT4D nicht zeitgerecht lief, andererseits aber die vorhandenen Wagen zum Teil noch Vorkriegswagen waren, die am Ende ihrer Nutzbarkeit angekommen waren. Außerdem kam der Stichtag heran, zu dem Straßenbahnwagen Türschließeinrichtungen haben mussten. Und: Die Erschließung der neuen Wohngebiete im Norden der Stadt erforderte dringend den Einsatz von 3-Wagen-Zügen und es fehlte schlicht an den dafür benötigten Fahrzeugen.

Freude hatte man an den Rekowagen dennoch nicht. Das fehlende Untergestell – seit Mitte der 20er Jahre hatte man in Berlin darauf verzichtet – sparte zwar Wagengewicht, führte aber zu harten Laufeigenschaften mit entsprechender Geräuschbildung. Nicht exakt eingestellte Bremsen und die Weisung des Verkehrsministeriums zur Verwendung zylindrischer Radreifenprofile und die allerorts verlegten Großverbundplatten trugen ihren Teil dazu bei. Und der Fahrgast wurde mit einflügeligen Türen und Stufen zwischen Plattform und Wageninneren verwöhnt, ganz im Gegensatz zu den Gothawagen. Dennoch blieben die Wagen bis zur Abstellung aller Zweiachser im Planeinsatz, genau genommen wurden sie also 10 bis 15 Jahre alt. Und zu guter Letzt noch eine Anmerkung für den Insider: Da für jeden Rekowagen formell ein Spenderfahrzeug gebraucht wurde, erklärt dies den “Nummernsalat” bei den Rekowagen, sie wurden entgegen vorhandener Praxis nicht fortlaufend eingenummert, sondern erhielten die Nummern ihrer Vorgänger. Damit konnte man dann statistisch ein bisschen mogeln, wenn das Durchschnittsalter der Fahrzeuge als Merkmal für die Bedürftigkeit bei Neufahrzeugen abgefragt wurde.

1981 - Wagen 166 am Nordbahnhof

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Diese Zeitreise führt in das Jahr 1981. Mit der Anlieferung größerer Stückzahlen von Tatrawagen ab Ende der 70er Jahre waren die ersten Gothawagen überzählig. Dabei hatten die etwa 20 Jahre alten Gelenkwagen durchaus noch nicht das Ende ihrer technischen Nutzungsdauer erreicht und neben der zustandsbedingten Ausmusterung einzelner Exemplare wurde eine größere Anzahl der G4 -so der Name der Gelenkwagen- nach Nordhausen abgegeben.

Unser Bild zeigt den Wagen 166, der gerade vom Arbeitswagen 3 auf das provisorische Zufahrtsgleis zum Ladegleis am Nordbahnhof gedrückt wird. Das letzte Stück wird er von einem Traktor gezogen werden, unser Kollege hat das Stahlseil dafür schon in der Hand. Für die Aktion musste der Linienverkehr unterbrochen werden, denn das “fliegende” Gleis wurde ohne eine Weiche direkt an das reguläre Gleis angeschlossen.

Schon damals erregte so etwas das Interesse des Publikums, wie man unschwer erkennen kann. Das Bild gestattet übrigens auch einen Blick auf die alten Anlagen am Nordbahnhof vor dem Bau der Straßenbahnbrücke (nachdem die alten Anlagen in der Roststraße aufgegeben worden waren), samt Eingang zur Fußgängerunterführung der DR.

1981 - Wagen 177 in der Breitscheidstraße

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Breitscheidstraße 1981: Seit einem Jahr ist die damals so genannte Liniennetzentflechtung wirksam, bei der die Streckenführung der Linie 1 zum Dalbergsweg und die Führung der Linien 2 und 5 durch das Brühl aufgegeben und der Gothaer Platz mit der Lutherstraße über eine Neubaustrecke verbunden wurde. Die damit neuen Linien 1, 2 und 11 wurden zum Nordbahnhof geführt und der Linienauslauf demzufolge vom Betriebshof in der Magdeburger Allee (damals Karl-Marx-Allee) gestellt.

Wegen permanentem Platzmangel mussten auch Fahrzeuge in der Breitscheidstraße abgestellt werden, hier befanden sich noch Gleisreste der Endstelle der alten, 1973 eingestellten Linie 4, die auch der Zuführung der Fahrzeuge zu den in der EVB sogenannten Stauffenbiel-Hallen dienten (obwohl nur eine Halle der Firma gehörte). In den Hallen befanden sich unter anderem eine Werkstatt des Gleisbaus und eine Lackiererei, alle über im Bild sichtbare Abzweiggleise angeschlossen.

Der hinter dem Wagen 177 zu sehende Zeitungskiosk - wie üblich ein Standardbau - versorgte die EVB-Mitarbeiter- und nicht nur die - mit Tageszeitungen und Journalen, nicht selten Bückware wie dem "Magazin". Hier erfuhr der Autor dann 1988 auch, dass die deutsche Ausgabe des sowjetischen Magazins "Sputnik" nicht mehr vertrieben wurde wegen der Perestroika. Dieses Magazin war übrigens gar nicht schlecht und um vieles interessanter als so manche DDR-Zeitschrift. Es kämpfte allerdings immer mit dem Stigma seiner Herkunft, wie schon gesagt eigentlich zu Unrecht. Aber das ist schon so lange her....

Das Bild wurde von Dirk Herrmann am 6.Juli 1981 aufgenommen.

1984 - Schreibmaschinentransporte

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Als 1984 Gelenkwagen 21 und Beiwagen16 vor sehr morbider Kulisse in der heutigen Johannesstraße aufgenommen wurden, war das Ende des kommerziellen Güterverkehrs mit Straßenbahnen in Erfurt bereits abzusehen. 1982 aus der Not heraus geboren, unbedingt Kraftstoff einsparen zu müssen, wurden zunächst Schreibmaschinen von der Optima in der Rudolfstraße zum Nordbahnhof gefahren. Später kam noch Bier aus der Brauerei in der Schillerstraße zum Einkaufszentrum Rieth dazu.

Für die Schreibmaschinentransporte hatte man in der Schleife Günterstraße links vom Gleis eine hölzerne Laderampe gebaut, zu der die Transportkisten mit Gabelstaplern über die Straße gebracht und dann per Hand verladen wurden. Am Nordbahnhof hatte man ein Anschlussgleis an den Güterschuppen gebaut. Dort wurden die Schreibmaschinen dann zwischengelagert. Die Biertransporte waren noch anspruchsvoller: Da mangels Anschlussgleis auf der Schillerstraße beladen werden musste, konnte das nur in der Betriebsruhe nachts erfolgen. Entladen wurde dann allerdings erst vormittags im Rieth, dort war aus der Anfangszeit der Endstelle – es wurde rückwärts gedreht – noch ein Teil des Wendedreiecks vorhanden. Auf diesen Gleisstummel passten 2 Wagen und so wurde dort entladen und Gabelhubwagen und Gabelstapler das Bier zum Kaufhallenlager gebracht.

Eigentlich waren für die Gütertransporte 2 Beiwagen vorgesehen, außer dem im Bild zu sehenden Wagen 16 noch der Wagen 17, der auch als erster Güter transportierte. Die Verwendung des bereits seit 1981 zustandsbedingt abgestellten Gelenkwagens 185 ( Arbeitswagennummer 21) wurde erst später beschlossen, um die Transportkapazität weiter erhöhen zu können.

So schnell und zeitgemäß mit propagandistischen Trara versehen der Güterverkehr eingeführt wurde, so sang- und klanglos verschwand er wegen des personellen Aufwands wieder, obwohl er auch danach immer mal wieder in Konzeptionen zur Kraftstoffsubstitution auftauchte. Man hatte zumindest die Erfahrungen einfließen lassen und für den Bau eines Anschlussgleises in der Rudolfstraße in die Optima hinein an die Laderampe gab es bereits Bauunterlagen. Allerdings entzündeten sich an der Frage, wer für die Kosten und Bilanzen aufzukommen habe, die Gemüter der beteiligten Partner. Das muss nicht verwundern, reichten doch Mittel und Kapazitäten schon für den planmäßigen Unterhalt des Gleisnetzes nicht aus. Ebenso ungeklärt blieb die Frage, wer das Fahrpersonal zu stellen hatte – zu der Zeit fielen fast täglich wegen Fahrermangel Bahnen im Linienverkehr aus… Und so blieb es bei dieser kurzen Episode in Erfurt.

Dabei ist ein Güterverkehr mit Straßenbahnen nicht zwangsläufig ein Ausdruck von Kriegszeiten oder Mangelwirtschaft, wie man in Dresden sehen kann, wo Autoteile aus einem Lager mit einer Güterstraßenbahn zum innerstädtischen Werk (“Gläserne Fabrik”) gebracht werden. In Leipzig und Dresden hatte Güterverkehr sogar über Jahrzehnte Bestand, weil wegen eines engmaschigen Netzes und spezieller Anschlussgleise eine Abwicklung außerhalb des Liniennetzes möglich war. Entscheidend aber ist, dass mit dem Güterverkehr mit der Straßenbahn kein Mehraufwand gegenüber dem LKW entstehen darf, also keine zusätzlichen Umladeprozesse, keine höheren Betriebskosten durch Personal, Fahrzeuge und Anlagen. Und dann darf natürlich auch der Linienverkehr nicht behindert oder eingeschränkt werden und es muss eine stadtverträgliche Gestaltung möglich sein. An diesen Anforderungen ändern auch neuere umweltpolitische Aspekte nichts. In einer Marktwirtschaft behauptet sich die ökonomisch vorteilhafteste Lösung.

1985 - Wendeschleife Platz der DSF

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Für Einsatzwagen existierte am damaligen Platz der DSF eine Wendeschleife, die ursprünglich für die Linie 1E bestimmt war, ihre Funktion aber mit der Liniennetzänderung von 1978 einbüßte, als die Endstelle Dalbergsweg zugunsten der Durchbindung Melanchthonstraße/Gorkistraße aufgegeben wurde. Diese Schleife wurde außerdem für Überführungen zwischen den damaligen zwei Betriebshöfen benötigt.

Da für die geplante längere Sperrung der Regierungsstraße im Zusammenhang des Baues des Kulturpalastes aber eine Wendemöglichkeit aus Richtung Osten benötigt wurde ( Aus Richtung Westen war es die heute noch vorhandene Schleife in der ebenfalls für diese Maßnahme benötigten Ersatzeichenstraße), erhielt die Gleisverbindung eine neue Bedeutung, musste allerdings für die Baufreiheit verschoben werden. Unser Bild zeigt die schon verschobene Einfahrt zur Schleife 1985, als ein sie für eine Sonderfahrt mit dem Triebwagen 92 stellte. Die Ausschilderung mit "Hirschgarten" sorgte damals immer mal für Diskussionsstoff...

Übrigens sollte das Gleis in der Regierungsstraße wie auch das in der Neuwerkstraße erstmals in der DDR ein Masse-Feder-System erhalten, um die Schwingungen aus dem Bahnsystem vom Baukörper des Palastes zu entkoppeln, also quasi das Gegenteil der Großverbundplatte. Aber das war später nicht mehr nötig, die weitere Entwicklung des Schiffshebewerkes ist ja bekannt.
 

1986 - Brand Restaurant Braugold

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Im Winter 1986 gab es ein Aufsehen erregendes Ereignis am Anger: Die Küche des Restaurants Braugold brannte. Es war gegen 19.30 und während die Löscharbeiten anliefen, erinnerte sich jemand an die Kinovorstellung im Hinterhaus... Diese Augenblicke sind dem im Kino anwesenden Verfasser gut in Erinnerung geblieben. Die Räumung des Kinosaales erfolgte durch einen Seiteneingang und war ziemlich unaufgeregt, weil das irgendwie alle Besucher als Übung vermutet haben. Draußen blinkte und blitzte es freilich blau und erst da war klar, dass das wohl keine Probe war. Das Kino hat diese Aktion eher unbeschadet überstanden, blieb aber trotzdem noch eine Weile geschlossen und nach 1990 dann für immer.

Im Ergebnis der Löschaktion bei sehr eisigen Temperaturen hatte der Wassernebel nicht nur die verwendete Drehleiter der Feuerwehr und die Wasserschläuche einfrieren lassen, sondern sowohl die Fahrleitung der Straßenbahn wie auch - und vor allem - die Fassade des Gebäudes mit Eiszapfen verzaubert. Als am Folgetag das Bild entstand, hatten die Kollegen der Stromversorgung der EVB die Eiszapfen an der Fahrleitung entfernt, aber die Fassade gab umseitiges Bild ab. Ob die im Bild sichtbaren Fahrleitungsklemmen damit im Zusammenhang stehen, ist nicht mehr bekannt. Aber zumindest ein älterer Kollege berichtete von einem enormen Lichtbogen-Feuerwerk der ersten durchfahrenden Straßenbahnen.

Mitte der 80er-Jahre - Arbeitswagen 11

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Hier zu sehen ist ein Fahrzeug, das wenige zu Gesicht bekommen haben werden und das kein Ruhmesblatt in den Annalen der alten EVB hinterlässt: Der Bau des Arbeitsbeiwagens 11 war 1985 begonnen worden, wie leicht zu erkennen ist ein Umbau aus einem Gothawagen. Die Reinigung der Rillenschienen war von jeher eine Instandhaltungsaufgabe der Gleisbauer. In alten Zeiten reine Handarbeit, waren für diese ungeliebten Arbeiten kaum noch Leute zu begeistern, zumal "Ritzenschieber" auch kein Ansehen genossen. Es gab zwar alte, aber nicht mehr zeitgemäße Arbeitswagen, wegen der Vorkriegstechnik aber inzwischen mehr als verschlissen. Da war es ein großer Wurf, als nach der Leipziger Messe 1961 aufgrund alter persönlicher Beziehungen ein westdeutscher Schörling-Schienenreinigungs-LKW bei der EVB landete, nicht eben begeistert vom Verkehrsministerium aufgenommen, hatte doch weder die Hauptstadt noch der Vorzeigebetrieb Leipzig zeitgemäße Technik im Einsatz. Nur: Irgendwann war der LKW verschlissen und Ersatz nicht beschaffbar. Also wurde Mitte der 80er Jahre nach einer Lösung gesucht, nicht nur in Erfurt.

Und so wurde das Neuererprojekt Schienenreinigungswagen ins Leben gerufen. Der Ratiomittelbau der EVB - so etwas gab es in vielen Betrieben, weil viele Dinge eben einfach nicht beschaffbar waren - bekam den Auftrag, einen, wieder über Beziehungen beschafften, W50-Kehrmaschinenaufbau auf ein Fahrgestell eines Gothawagens zu setzen und mit diesem wertintensiven Neuererobjekt die EVB im sozialistischen Wettbewerb an die Spitze des Bezirkes zu schießen... Da der Ratiomittelbau in der alten Halle der Motorengesellschaft untergebracht war, im Vorderhof der Verwaltung links gelegen, aber über keinen Gleisanschluß verfügte, wurde der Wagen ausgegleist und ziemlich robust über den Hof bewegt - und nach Fertigstellung natürlich wieder zurück.

Nun- die Erprobung verlief ernüchternd. Wegen des Fahrgestells musste die Führung der Saugleitungen verlängert werden. Da das aber strömungstechnisch nicht untersucht worden war, reichte die Saugleistung nicht aus. Auch der erforderliche Querschnitt wurde nicht beachtet. Damit saugte der Wagen zwar zunächst den Schmutz an, dieser gelangte aber nicht in den Auffangbehälter, sondert verklumpte noch in der Leitung, die damit verstopfte. Damit verschwand der Unterdruck, während gleichzeitig der Klumpen zu schwer war und deswegen aus der Saugleitung wieder herausfiel. Damit entstand hinter dem Fahrzeug etwa alle 25 Meter ein Schmutzhäufchen. Die enttäuschten Gesichter der Verantwortlichen kann man sich vorstellen. Der Wagen wurde erstmal in die Ecke gestellt, um nach neuen Lösungsansätzen zu suchen. Aber mittlerweile hatte der Ratiomittelbau neue Aufgaben erhalten und so wurde das Projekt immer weiter in den Hintergrund geschoben. Und schließlich aufgegeben. Das war der Zeitpunkt, zu dem der schon als ABW 11 bezeichnete Wagen den Standort vom Betriebshof in der Karl-Marx-Allee zum Pappelstieg wechselte. Dort entstand das gezeigte Bild. Wegen der Restbuchwerte konnte das Fahrzeug aber auch nicht verschrottet werden, und so zog sich ein "Erinnerungsfaden" noch lange Zeit durch die kaufmännischen Unterlagen und erst mit der Wende landete der Wagen auf dem Schrottplatz, denn nun waren wieder LKW mit Schienenfahreinrichtung für diesen Einsatzzweck verfügbar.

Mit der heutigen Umweltproblematik wurde der Gedanke geboren, für die Arbeitsaufgabe doch wieder auf ein richtiges Schienenfahrzeug zu setzen, zumal die Schienenfahrwerke der 2-Wege-Fahrzeuge technisch sehr anspruchsvoll sind, zumindest bei Meterspur wie in Erfurt. Hohe Laufleistungen lassen sie schnell verschleißen. Und so entwickelte sich im Kollegenkreis der Plan des heutigen Arbeitswagens 4.

Das Bild stammt von Bernd Stützer, einem ehemaligen Fahrer der EVAG.

Ende der 80er-Jahre - Marktstraße

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Auf diesem Bild zu sehen ist die Marktstraße mit ihrem morbiden Vorwendecharme, durch die ein 3-Wagen-Zug der Linie 3 in Richtung Ulan-Bator-Straße fährt.

Interessant ist der Oberbau, der durchaus zu einem Aufschaukeln der Fahrzeuge führen kann und so überall auf unseren mit den sogenannten Großverbundplatten gebauten Strecken zu sehen war. Die Regelmäßigkeit dieser Lagefehler deutet auf einen Systemfehler hin und den gab es tatsächlich. Denn mit der Einführung dieser Bauweise DDR-weit Anfang der 70er-Jahre wurden auch 3 sogenannte Torlader der Firma Valmet aus Finnland beschafft, die für die Verlegung der Großverbundplatten vorgesehen waren.