Ikarus in Erfurt
Der Busbahnhof 1982. Zu jener Zeit besaß er 14 Bussteige, außer den EVB-Abfahrtssteigen 1 bis 7 die Kraftverkehrs-Bussteige 8 und 9, die Haltestellen 10 und 11 in der Bürgermeister-Wagner-Straße für die Linie G (entspricht heute der 9 ), die Ankunftssteige 12/13 dort gegenüber und den Schienenersatzverkehrsbussteig 14 an der Stelle, hinter der heute das Intercity-Hotel steht und ja immer noch der Eisenbahn-SEV abgewickelt wird.
Unser Bild zeigt einen Ikarus-Bus des Typs 180, welcher ab 1969 zum Einsatz kam. Gelenkbusse waren als Ersatz für die Busanhänger-Züge gedacht, ihr gedanklicher Ursprung war wie bei der Straßenbahn die Fahrgastabfertigung mit einem sitzenden Schaffner. Nachdem die EVB ja bereits seit 1960 einen Büssing-Gelenkbus besaß, dauerte es immerhin bis Ende der 60er-Jahre, bis das ungarische Bruderland, per RGW-Beschluss zum zentralen Omnibuskompetenzzentrum erklärt, einen adäquaten Fahrzeugtyp anbieten konnte. Grund für die Zeitlücke war, dass ein liegender Unterflurmotor benötigt wurde, der erst entwickelt werden musste. Das ungarische Eigenfabrikat bewährte sich nicht, zu guter Letzt nahm man eine MAN-Lizenz.
Es ist übrigens ein langlebiges Märchen, dass die Ikarus-Leute nach Erfurt gekommen wären, um den Büssing abzukupfern, vielmehr war beim Konkurrenzmodell der damaligen Firma Henschel geguckt worden. Was in Erfurt aber für die Ikarusingenieure interessant war: Die Lenkung des Nachläufers war beim Büssing besser gelöst. Deswegen wurde ab Anfang der 70er Jahre bei der Konstruktion der 280er-Ikarusfolgebaureihe die Anlenkgeometrie geändert.
Ab Mitte der 80er-Jahre bestand der Busfuhrpark der EVB nur noch aus den Typen der 200er-Baureihe, die uns in aufgearbeiteter Form noch bis zur Jahrtausendwende begleitet haben.
Die letzten Fahrzeuge wurden in Erfurt 1990 in Dienst gestellt, basierend noch auf 1989 in der DDR abgeschlossenen Verträgen. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete Ikarus schon länger an einer Nachfolgebaureihe, der Baureihe 400, von der 1988 ein Prototyp in Berlin gezeigt wurde, der aber nach meiner Erinnerung so seine Macken hatte.
Zur Baureihe Ik180 gäbe es noch zu sagen, dass die Verarbeitungsqualität zu wünschen übrig ließ. Das hatte auch damit zu tun, dass der Außenhandel der DDR immer nach der billigsten Variante suchte und so waren eben Korrosionsschutz, Automatikgetriebe oder Lufttrockner für die Bremsanlage überflüssig. Wie die Verkehrsbetriebe damit zu Recht kamen, war egal. Deswegen hatte bis 1980 schon das Gros dieser Fahrzeuge den Dienst quittiert, von ursprünglich 25 Gelenkbussen dieser Type existierten Ende 1982 noch 6, alle mehr oder weniger nur noch in untergeordneten Diensten.
Dennoch wurden wegen der ökonomischen Krise in der DDR Anfang der 80er-Jahre (die Sowjetunion verlangte ab 1980 für Erdöl den Weltmarktpreis) nochmals einige Ikarus 180 bei der EVB aufgearbeitet, mit wenig überzeugendem Ergebnis: Man hatte der Oma ein Miniröckchen angezogen, aber es blieb eine alte Frau… Die Karosserieinstandsetzung beseitigte zwar die grundlegenden Durchrostungsschäden, aber es blieb bei verschlissenen Motoren, Getrieben, Lenkungen und so weiter und so verwundert es nicht, dass die Fahrzeuge kaum eine Woche ohne Werkstattaufenthalt überstanden. Da in der DDR die Busse festen Fahrerbesatzungen zugeteilt waren, wollte solche Fahrzeuge natürlich keiner haben, folglich waren sie ohne Fahrerbindung als Ersatzreservefahrzeuge in Verwendung, was ihrem Zustand sicher auch nicht zuträglich war. Solche Busse wurden bei der EVB übrigens “herrenlos” genannt.
Der im Bild zu sehende Wagen 420 ist unmittelbar nach seiner Aufarbeitung zu sehen. An der geänderten Lackierung – ursprünglich waren die Busse weiß mit rotem Breitstreifen – konnte man die instandgesetzten Fahrzeuge erkennen, das verwendete Orangerot fiel auf. Geholfen hat es nicht, schon 2 Jahre darauf war auch für die 420 Schluss. Die dann noch existierende 3 Ik180 waren nur noch an der Ostseite des Bushofes an der Friedrich-Engels-Straße abgestellt, sie wurden nicht mehr eingesetzt, mussten aber noch wegen der Restbuchwerte aus der Instandsetzung als Karteileiche weitergeführt werden. 1985 halfen sie dann das Schrottsoll des Betriebes zu erfüllen.
Die Ikarus-Gelenkbusse trugen die Nummern 401 bis 423. 2. Weitere erhielt die EVB aus Eisenach vom dortigen Kraftverkehr, sie ersetzten die Wagen 402 und 404 mit gleicher Nummer. Der Grund ist leider nicht mehr bekannt.
Die ersten 8 Wagen trugen bis 1972 die Nummern 201 bis 208, die Änderung wurde erforderlich, weil die fortlaufenden Nummern der Solobusse in diese Region vorgestoßen war und man eine Trennung der Fahrzeuggrößen haben wollte. Konsequent war das nicht, da bei den Solobussen Stadt-, Vorort-, Überland- und Reisebusse entsprechen des Beschaffungsjahres hintereinander eingeordnet wurden – ohne eine Differenzierung.
Die Originalfarbgestaltung zeigt unser Schwarz-Weiß-Bild des Busses 408 auf dem Betriebsgelände in der Magdeburger Allee (die damals Karl-Marx-Allee hieß). Die Stadtbusse hatten hinten eine 4-flüglige Tür mit einer abgesenkten Plattform, das heißt an dieser Tür befand sich nur eine Stufe, in den eigentlichen Fahrgastraum hinein musste man eine weitere Stufe „erklimmen“.
Zumindest zum Einsatzende dieser Fahrzeuge, als die Nachfolgebaureihe 200 mit durchgehenden Fußböden in Betrieb war, mehrten sich Fahrgaststürze aussteigewilliger Fahrgäste, die mit dieser Stufe nicht rechneten. Man erinnere sich: Die eigentliche Idee war ja ein schaffnerbedientes Fahrzeug mit Fahrgastfluss von hinten nach vorn, dieser hatte von seinem Schaffnersitzplatz eine gute Übersicht über die tiefer gelegene Plattform. Nur wurden die Fahrzeuge ab 1969 in die DDR ohne Schaffnerplatz geliefert, weil der Schaffner längst obsolet war… Zumindest in Budapest waren diese Plätze aber vorhanden.
Von den genannten 25 Ikarus 180-Gelenkbussen waren 4 (409 bis 412 ) 2-türige Überlandwagen mit einer 2+2-Bestuhlung und geänderter Getriebeübersetzung für eine höhere Geschwindigkeit. Darüber hinaus gab es auch Solobusse Ikarus 556, die zu dieser Bauart gehörten. Davon besaß die EVB die 9 Busse 184 bis 187 und 195 bis 199.
Auf unserem zweiten Bild können Sie alle 3 Typen sehen, den 556er und etwas verdeckt den 180er Stadt vor der Tankstelle, beim 556er kann man in der geöffneten Tür die niedrigere Plattform erahnen. Und hinten vor der Baracke steht ein 180er “Land“, wie er kurz im EVB-Sprachgebrauch hieß.
Alle 180er/556er besaßen übrigens eine Fahrerkabine, die bei den Fahrern nicht beliebt war, weil sie sehr eng war und nach kurzer Einsatzzeit Quelle zusätzlicher Klappergeräusche…
Im Sommer 1989 überstellte Ikarus dann ein Vorserienfahrzeug in die DDR als zukünftigem Großabnehmer zur Erprobung. Dafür zuständig war das Kraftfahrzeugtechnische Amt mit Sitz in Dresden in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftlich-Technischen Zentrum des Kraftverkehrs, in Teilen ebenfalls in Dresden ansässig.
Bei einer Tagung der Hochschule für Verkehrswesen in Dresden, gemeinsam mit der Kammer der Technik organisiert, wurde der Bus dann einem breiteren Fachpublikum vorgestellt. Dabei entstanden die beiden Bilder, die den Ikarus 415 als Nachfolger des 260er zeigen. Er ist in der zur 750-Jahr-Feier für Ostberlin (1987) kreierten Farbgebung lackiert, jedoch mit einem Dresdner Kennzeichen bestückt.
Bliebe anzumerken, dass die Baureihe 415 noch kein Niederflurfahrzeug war, die Einstiegsverhältnisse aber gegenüber der 200er-Baureihe wesentlich "entschärft" wurden. Nach fast 20 Jahren Bauzeit der 200er kam die Entwicklung in Anbetracht der folgenden politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen jedoch zu spät, noch dazu, weil Ikarus zeitnah Niederflurfahrzeuge entwickeln musste, während gleichzeitig bedeutende Absatzmärkte wegbrachen.
Die Bilder erlauben zumindest eine Vorstellung davon, wie die Erneuerung der Erfurter Busflotte ausgesehen hätte, wenn...